Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Die Praxis der Corona Soforthilfen sorgt für viel Ärger und Unverständnis. Wieder einmal gilt: gut gemeint ist nicht gut gemacht. Insbesondere Solo-Selbständige sind die Verlierer.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona Krise sind fatal. Anders als z.B. in der Finanz- und Eurokrise 2008 und 2011, die für die meisten Menschen abstrakt und unverständlich blieben, trifft es nun nahezu jeden unmittelbar.

Manche sind besonders hart betroffen

Möglicherweise (man weiß das tatsächlich immer noch nicht genau…) mehr als 10 Mio. Arbeitnehmer in Kurzarbeit, über alle Branchen hinweg einbrechende Nachfrage und manche trifft es besonders hart, z.B. Kulturschaffende, Messen, Veranstaltungen jedweder Art sowie Gastronomie und Reiseanbieter und -vermittler.

Umso größer war bei vielen die Erleichterung, als die Politik schnell und scheinbar unbürokratische Hilfe ankündigte. Die Corona-Soforthilfe war geboren und sollte dabei helfen, das Gröbste abzufedern. In der Tat ein bemerkenswerter Kraftakt staatlicher Unterstützung.

Aber denkste, wie so oft liegt der Teufel im Detail. Wurden zu Beginn die Anträge noch schnell und allenfalls oberflächlich geprüft durchgewunken, ist die Praxis in den meisten Bundesländern mittlerweile eine komplett andere. Sicher, der Staat hat bei der Verwendung seiner finanziellen Mittel – unserer Steuern – Sorgfalt walten zu lassen. Rausblasen ist nicht, das ist korrekt und in unser aller Interesse. Und ich will auch anerkennen, dass die Aufgabe die hier zu meistern ist, historisch beispiellos und sicher keine einfache ist.

Ganze Berufsgruppen sind ausgeschlossen

Dennoch: Manche Berufsgruppen, die diese Hilfe nicht benötigen, aber gerne mitnehmen qualifizieren sich problemlos. Auf der anderen Seite: Ganze Berufsgruppen, die diese Hilfe wirklich dringend benötigen, sind von ihr ausgeschlossen, z.B. Solo-Selbständige wie Kulturschaffende. So wird das Soforthilfe Programm zu einem Soforthilfe-Vermeidungs-programm.

Der Hinweis führender Politiker dieses Landes wie des Bayerischen Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, für Künstler gebe es die Grundsicherung – also Hartz IV – ist zwar dogmatisch zutreffend, gleichzeitig aber kalt, zynisch und ohne Anstand.

Aber warum ist das so? Nun, die Soforthilfen werden z.B. in Bayern – vereinfacht gesagt – dann gewährt, wenn in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten zu erwarten ist, dass die laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht decken. Ausgaben sind hierbei aber nicht Ausgaben im Verständnis der berühmt-berüchtigten schwäbischen Hausfrau, sondern nur Betriebsausgaben im betriebswirtschaftlichen Sinne wie z.B. Mieten oder Leasing. Nicht aber: Personalkosten (dafür gibt es das Instrument der Kurzarbeit) oder eigene Lebenshaltungskosten (dafür gibt es – siehe Aiwanger – Hartz IV).

Zwei Beispiele anhand von Reisebüros

Wie bekomme ich also nun – oder in der nächsten Krise – die Soforthilfe? Nicht ganz ernst gemeinter Rat: leasen sie sich einen Ferrari! Klingt absurd, ist es auch. Ich will das an zwei simplifizierten Beispielen verdeutlichen:

Herr A betreibt im eigenen geerbten Ladengeschäft ein Reisebüro mit zwei Angestellten, die jeweils EUR 3.000,– im Monat verdienen. Aktuell bucht natürlich niemand eine Reise, der Umsatz liegt also bei null, dennoch gibt es genug zu tun: Umbuchungen, Stornierungen, besorgte Kunden informieren und betreuen. Daher schickt Herr A seine beiden Angestellten auch nicht in Kurzarbeit – und erhält auch kein Kurzarbeitergeld. Und keine Soforthilfe, denn nennenswerte Betriebskosten hat Herr A nicht, da ihm das Ladengeschäft gehört und er keine Miete zahlt. Bilanz nach drei Monaten: kein Umsatz, EUR 18.000,– Lohnkosten, keine Soforthilfe. Und vermutlich ein Reisebüro weniger.

Herr B betreibt ebenfalls im eigenen geerbten Ladengeschäft ein Reisebüro mit zwei Angestellten, die jeweils EUR 3.000,– im Monat verdienen. Auch sein Umsatz liegt brach, daher schickt er beide Angestellten sofort in Kurzarbeit Null. Sollen die Kunden, die umbuchen oder stornieren möchten sich doch einfach gedulden. Im Gegensatz zu Herrn A hat Herr B eine Leidenschaft für Sportwagen, weshalb er sich – als Geschäftswagen – einen Ferrari geleast ein. Ein teures Vergnügen, welches ihn mit Versicherung und Sprit monatlich EUR 3.000,– kostet.
Herr B hat alles richtig gemacht. Die Lohnkosten seiner Mitarbeiter übernimmt per Kurzarbeitergeld die Agentur für Arbeit und die Kosten für den Ferrari die Corona Soforthilfe. Und sein Konkurrent A ist pleite. Well done, Mr. B!

Zugegeben: diese Beispiele sind konstruiert und polemisch zugespitzt. Aber sie verdeutlichen, dass aktuell in vielen Fällen wirklicher Bedürftigkeit die dringend benötigte Hilfe nicht ankommt und dadurch nachhaltiger Schaden droht, der weit über volkswirtschaftliche Kennzahlen hinaus geht. Es geht um Kultur, unser Miteinander, Schicksale und nicht zuletzt: Menschen.

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